Der 14. Hochschulwettbewerb Musikpädagogik 2024 fand in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg statt. Die Preisträger*innen des diesjährigen Wettbewerbs sind:
Die Preisträger*innen der vorangegangenen Jahre finden Sie im Preisträgerarchiv.
„Wie Wir Klingen"
Selbstgesteuerte Arrangierprozesse mit Erwachsenen Amateursänger*innen
Was geschieht, wenn Sänger*innen selbst über die Musik entscheiden, die sie im Chor singen möchten? Wenn sie nicht nur die Stücke auswählen, sondern auch ihre Arrangements selbst entwickeln? Was passiert, wenn eine Gruppe die Entscheidungsmacht für den gemeinsamen Prozess und die musikalische Gestaltung bekommt?
Diesen Fragen ist das Bachelorprojekt ‚Wie Wir Klingen‘ nachgegangen. Über einen Zeitraum von 10 Wochen entwickelte ein Gruppe Amateursänger*innen Arrangements zu von ihnen ausgewählten Stücken. Dabei trafen sie nahezu alle Entscheidungen, sowohl was die Prozessgestaltung als auch was musikalische Entscheidungen angeht, selbstgesteuert und ohne Vorgaben. Im Zentrum stand die Ermächtigung der Sänger*innen, selbst mit musikalischem Material umzugehen und es nach ihren Wünschen gestalten zu können.
‚Wie Wir Klingen‘ orientierte sich als prozessorientiertes, partizipatives Projekt an Grundsätzen der Community Music. Eine besondere Herausforderung lag in der Rolle der Leitung, die den Teilnehmenden Wissen und Methoden für die Arrangements näherbringen musste, ohne dabei in die Ideenentwicklung und Entscheidungsprozesse der Gruppe einzugreifen.
Der Erfolg des Projekts zeigte sich am Feedback der Teilnehmenden. Mit großer Mehrheit gaben sie an, sich durch ihre Teilnahme bereichert zu fühlen, viel gelernt und neue Erfahrungen gemacht zu haben. Auch ihre musikalische Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit wurde gestärkt. Aufgrund der großen Resonanz und vieler Interessierter wurde bereits ein Nachfolgprojekt durchgeführt, was wiederum zeigt, wie groß das Interesse an partizipativen, offenen Musizierangeboten ist und wie wichtig dieses Handlungsfeld für Musikpädagog*innen ist.
„SchMAus"
„Bietet der Musikunterricht der Grundschule einen Nährboden für Abhängigkeiten, Grenzverletzungen und Machtmissbrauch?"
Exposé zu einer wissenschaftlichen Arbeit über Nähe und Distanz im Rahmen des Schulmusikstudiums
Das empirische Forschungsvorhaben wurde im Rahmen der Masterarbeit durchgeführt und geht der Frage nach Bewusstsein und Deutungsmustern Hamburger Grundschullehrkräfte hinsichtlich des Umgangs mit Nähe und Distanz im Musikunterricht der Grundschule nach. Denn neben Instrumentalunterricht ist auch der Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen vom jüngsten Diskurs um Berührungen, Grenzverletzungen und Macht betroffen. Dabei müssen neben körperlichen auch emotionale und mentale Formen bei der Nähe-Distanz-Regulationen mitbedacht werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich bei der Regulation im Musikunterricht der Grundschule sowohl durch Merkmale pädagogischer Beziehungen als auch durch musikspezifische Besonderheiten. Wie diese Aufgabe in der Praxis bewältigt wird, wird im Rahmen dieser Arbeit durch leitfadengestützte Interviews mit vier Hamburger Grundschullehrkräften, die das Fach Musik unterrichten, ermittelt und anschließend durch eine qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Dabei wurden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Lehrkräfte hinsichtlich der Gestaltung der pädagogischen Beziehung, der Situationen, in denen Nähe und Distanz im Schulalltag begegnen, eigener Präferenzen und Grenzsetzungen, Geschlechteraspekte, (Un-)Si- cherheiten, Unterschiede zwischen Schüler:innen sowie der Bewertung der Relevanz sicht- bar. Diese Ergebnisse wurden anschließend mit theoretischen Erkenntnissen in Verbindung gebracht. Dabei wurde festgestellt, dass sich zahlreiche Erfahrungen dieser Lehrer:innen mit den in der Literatur präsenten Herausforderungen des Musikunterrichts und der pädagogischen Beziehung gleichen. Neben der Regulation von Nähe und Distanz bei Hilfestellungen, stellt sie auch im Kontext des Singens und der Musikrezeption eine Herausforderung dar. Erschwert wird dies ebenso durch die im Musikunterricht geforderte und geförderte emotionale Ausdrucksfähigkeit. Die Bewältigung dieser Handlungsprobleme bedürfen eine Strukturierung und Reduktion durch handlungsleitende, unbewusste Deutungsmuster, die im Rahmen der Forschungsarbeit durch die dokumentarische Methode nach Bohnsack rekonstruiert werden konnten.
Auf Grundlage der beiden Auswertungsmethoden konnten trotz teils bestehender Vorerfahrungen und Wissen um Nähe-Distanz-Regulationen in der Schule Unsicherheiten im Handeln festgestellt werden, die zum Teil mit einer starken Distanzierung aus Vorsicht einhergehen. Trotzdem wurde die Relevanz von Nähe und Distanz für (über-)fachliche Ziele, spezifische Bedarfe und den (außer)unterrichtlichen Kontext durch die interviewten Lehrer:innen betont und zugleich das Ausbleiben in unterschiedlichen Aus- und Fortbildungsstationen für (angehende) Lehrkräfte beklagt. Deshalb wurden Konsequenzen für professionelles pädagogisches Handeln im Spannungsfeld von Nähe und Distanz im Musikunterricht der Grundschule formuliert, die zum einen im Rahmen der Aus- und Fortbildung dem Aufbau notwendiger Kompetenzen und Haltungen dienen und zum anderen konkrete Implikationen für den Musikunterricht der Grundschule unter Berücksichtigung musikpädagogischer Spezifika liefern.
"Musiklehrpersonen als Manager von Wissen und Informationen"